Dienstag, 24. Februar 2015

Haiti

Wie schon im vorigen Eintrag angekündigt, werden wir unseren Blog noch ein  wenig weiterführen, um euch an unseren weiteren Abenteuern teilhaben zu lassen.

Ich (Anna) bin von Tegus aus am Sonntag nach Miami geflogen und am Montag in der Früh dann weiter nach Port au Prince (Haiti). Weil mir der Wolfgang von NPH Österreich, der gerade auf der Ranch ist, eingebläut hat, ja nicht irgendwo herum zu laufen, war ich mir auch nicht so sicher, ob ich auf den (eingezäunten) Flughafenvorplatz gehen sollte, um zu schauen, ob mein Abhohldienst vielleicht dort auf mich wartet... Auf eine Frage auf Creol vom Flughafenpersonal konnte ich nicht antworten, aber zum Glück war ein UN- Typ da, der mich dann auf Spanisch angequatscht hat und mit mir rausgegangen is. Da war dann auch mein Fahrer. Der auch wieder nur Creol konnte. Das ist wirklich eine seltsame Sprache. Dem Französischen anscheinend ähnlich, rasant schnell gesprochen, sodass es sich anhöhrt, als ob man eine Kasette vorspulen würde. Es ist ganz eigenartig für mich in einem Land zu sein, in dem ich die Sprache nicht verstehe und durch meine helle Haut noch mehr auffalle als in Honduras. 

Aber langsam. Zuerst mal ein paar allgemeine Infos zu Haiti und NPH dort. 
Straße mitten in der Hauptstadt
                                             


                                                    
Viele von euch haben von Haiti wahrscheinlich vor 5 Jahren gehöhrt, wo das große Erdbeben war. Es liegt auf der Westseite einer karibischen Insel, die es sich mit der Dominikanischen Republik teilt. Und auch wenn nach dem Erdbeben viel Geld und Hilfsmittel ins Land geflossen sind, ist es nach wie vor sehr arm und die Kriminalität sehr hoch. Die Straßen sind auch in der Stadt großteils nicht asphaltiert und so liegt über Allem eine Staubschicht. Die UN und andere Organisationen sind allgegenwärtig und so sieht man häufig Pickups mit Blauhelmen beladen durch die Straßen tuckern.
NPH ist schon seit über 27 Jahren im Land. Das ursprüngliche Waisenhaus ist etwas außerhalb von Port au Prince in den Bergen gelegen. Als Antwort auf das Erdbeben 2010 hat NPH Kliniken, eine Schule, ein Waisenhaus, eine Rehabilitationsklinik und einige kleinere Programme direkt in der Hauptstadt gestartet. Ich bin selber von den ganzen Namen der Häuser verwirrt, deshalb möchte ich sie euch nicht zumuten, aber wer Interesse hat kann sich gerne auf der Homepage schlau machen: 
Was sonst noch zu sagen ist: Hier kommen viele Voluntäre für nur 2 Wochen bis zu einem halben Jahr. Die wenigsten bleiben für 13 Monate so wie in Honduras. Das liegt daran, dass die Krankenhäuser auch kürzere Praktika vergeben und vor allem aus Italien viele Ärzte, Krankenschwestern und Hebammen kommen.

So, und jetzt weiter zu meinen Erlebnissen...

Kapelle


Ich bin wie gesagt am Montag in Port au Prince angekommen und war den Tag einmal streichfähig. Die Hitze hat mich erschlagen. Die letzten Monate war es in Honduras doch um einiges kühler... Ich hab den Tag also im Besucher/ Voluntärs Bereich verbracht. Generell bin ich hier stationiert. 
Die nächsten Tage sind grob so abgelaufen: um ca. 6.15 Uhr aufstehen. Frühstücken (frisches Obst, Brot und selbst gemachte Peanutbutter). Um kurz vor 7.00 Uhr werden alle aus dem Besucher/ Voluntärsbereich mit einem kleinen Bus abgehohlt und zum Kinderkrankenhaus gebracht. Da ist dann um 7.00 Uhr Messe in einer kleinen Kapelle. Diese Messe ist immer ein Begräbnis von einer oderer mehrere Personen die am Vortag oder in der Nacht in den Krankenhäusern von NPH verstorben sind. Das ist etwas gewöhnungsbedürftig. Vor allem wenn die Familie anwesend ist. Haitianer sind ein sehr emotionales Volk. Sie singen laut, sie feiern laut und genauso trauern sie laut.


Nach dem Begräbnis gehts mit dem Pickup zum Krematorium
Nach der Messe haben ich mich immer an jemanden angehängt, der mich dann mitgenommen hat und seine Arbeit gezeigt hat. Gegen Mittag ist wieder der kleine Bus gekommen und hat uns wieder eingesammelt und zum Mittagessen zurückgebracht. Kurze Anmerkung: Das Essen hier ist echt lecker und vor allem sehr gut gewürzt! Nach dem Mittagessen und einer Siesta hab ich mich wieder an jemanden angehängt und den Nachmittag und Abend mit ihm/ihr verbracht. Abendessen gab es keines aber es war eigentlich immer noch was von zu Mittag da oder es mussten die Müsliriegel herhalten, die ich mitgebracht habe...





Was ich jetzt wirklich alles erlebt habe:


Frühchenzwillinge
Karneval!
                                                                                 
                                                                                            
Am Dienstag bin ich am Vormittag mit einer jungen, italienischen Ärztin mit auf die Neonatologie gegangen. Was ist das? Das ist die Frühchenstation. Da liegen die Kleinen teilweise in "Brutboxen" oder unter Wärmelampen. Es war ganz komisch für mich. Da liegen so viele kleine Butzis, weinen teilweise und ich darf sie nicht auf den Arm nehmen. Die Mamas sind nämlich teilweise bei ihnen und ich versteh vollkommen, dass die nicht unbedingt haben wollen, dass eine wildfremde, weiße Frau mit ihrem Babie am Arm herum steht. Das war eine harte Zerreißprobe für mich nachdem ich so lange mit den Babies auf der Ranch gearbeitet hab... Nach dem Mittagessen bin ich nochmal mit ins Krankenhaus gegangen und habe Kinder auf anderen Stationen besucht. Weil sie im Krankenhaus nicht "Krebs", "Cholera" oder sonstiges an die Türen schreiben wollen und viele Leute hier auch garnicht lesen können, hängen Bilder von Obst, Gemüse oder Fische vor der Tür. Zuerst waren wir auf der Mangostation. Da werden Kinder mit Krebs behandelt. Die Jungs haben sich riesig über die mitgebrachten Luftballons gefreut und es wurden gleich Kämpfe mit den neuen "Schwertern" ausgetragen. Hier in Haiti kann nur Chemotherapie mit den Kindern gemacht werden. Manche werden deshalb für eine Bestrahlung in die  Dominikanische Republik transportiert.
Als zweites waren noch die Fische dran. In diesem Raum sind Kinder, die im Krankenhaus abgegeben oder zurückgelassen werden. Großteils sind es Kinder mit speziellen Bedürfnissen oder unterernährte Kinder. Meine deutsche Begleiterin hat mir erklärt, dass die Lage für diese Kinder und auch deren Betreuer sehr schwer ist, da die Mittel (Windeln, Spielzeug,...) sehr begrenzt sind. In diesem Raum hab ich aber mein Kuscheldefizit der letzten Tage wieder aufladen können...
Am Abend bin ich noch mit ins Kinderdorf hier in Port au Prince. Zur Zeit ist Karneval und das wird natürlich gefeiert. Die älteren Mädels haben uns geschminkt und die Haare gemacht und danach wurde getanzt bis der Fußballplatz staubte...




Unterernährung ist hier keine Seltenheit...

Am Mittwoch bin ich nochmal mit ins Kinderkrankenhaus und hab mich auf der allgemeinen Station und der Notaufnahme umgeschaut. Es ist wirklich arg, wieviele unterernährte Kinder hier sind. 
Am Nachmittag bin ich mit ins Kinderdorf gegangen und habe zuerst beim freiwilligen Nachmittags Englischunterricht mitgemacht und danach die Zeit mit den Kids verbracht. Seilspringen, Haare machen und Kuscheln.








Schule
Am Donnerstag bin ich dann mit ins ursprüngliche Kinderdorf in den Bergen gefahren. Es war eine über einstündige Fahrt über nicht allzugute Straßen aber das Ziel hat sich gelohnt. Auf über 2.500m im kühlen Grünen liegt das Kinderdorf samt  Schule. Wir haben einen Rundgang gemacht und ich habe noch etwas mit den Physios tratschen können, die teilweise schon über 5 Jahre hier sind. Wir sind erst am späten Nachmittag zurückgekommen. Also bin ich nicht wieder losgezogen, sondern  hab mich auf meine kleine Terrasse gesetzt und mich dran gemacht diesen Blogeintrag zu schreiben...


Das Schul- und Wohngelände





Rehab- Warte- Bereich
Aquatherapie im hauseigenen Pool mit einem der
Schulkids
Am Freitag bin ich nach der morgendlichen Messe mit ins Rehabilitationszentrum gegangen. Es war super cool! Es ist nicht nur ein ambulantes Rehabilitationszentrum für Erwachsene und Kinder mit neurologischen Problemen, sondern auch eine Sonderschule. Fast alle der Schulkinder kommen aus der Umgebung und nur ca. 5 Kids wohnen auch bei NPH. Neben der Sonderschule in verschiedenen Gruppen gibt es Therapieangebote und eine warme Mahlzeit, bevor es um 13.30 Uhr wieder nach Hause geht. Eine lustige Beobachtung: Es sitzen an die 10 Männer am Tor, die nur für den Bus- Rollstuhltransfer zuständig sind und den restlichen Tag herumsitzen. Da die Arbeitslosigkeit in Haiti an die 70% ist, sind auch einige junge Männer dabei, die bei NPH aufgewachsen sind. Aus dem einfachen Grund, um sie von der Straße und somit von der Kriminalität fern zu halten.


Schüchtern fürs Foto aber sonst ein kleiner Stritzi
                                                                                                                                                                                                 









Die Augen werden schon schwer...

Am Samstag war dann ein richtiger Urlaubstag. Ausschlafen, solange es das wieder warme Wetter zulässt, noch im Bett lesen und dann erst frühstücken. Gegen Mittag bin ich mit ein paar Anderen für eine Stunde zum Babyhaus gefahren. Auch wenn es hier weniger Kids sind als in Casa Suyapa, ist es doch ein Wirbel und Durcheinander. Da hat es mich wirklich gegwundert, dass das Mädchen bei mir am Schoß einschlafen konnte...
Am Abend wurde bei uns im Haus noch eine Party gefeiert, weil einige der Voluntäre nächste Woche gehen. Die Italiener haben Pasta gekocht, es wurde Musik gemacht und getanzt. Ich war sehr verwundert, die meisten Tänze waren "Guzman" ein seeeeeehr langsamer "Polker". Fast zum einschlafen. Das hätte ich mir hier nicht gedacht...




Auch am Sonntag hab ich einen gemütlichen Ausraste Tag mit viel Lesen gemacht. Am Abend wurde dann das Wochenende mit der Lichtermesse abgeschlossen. Eine Abendmesse nur bei Kerzenschein und wie immer viel Gesang.




Am Montag habe ich mir in der Früh gleich mal losgezogen und hab mein Busticket für morgen erstanden. Am Weg sind wir an der amerikanischen Botschaft vorbeigefahren und so wie in Honduras stehen auch hier viele Menschen davor, die auf ein Visa und eine bessere Zukunft hoffen.
Tilapiazuchtbecken
Dann hab ich die Fische besucht. Zuerst die Tiere und dann die Kids im Fischzimmer. Die Tiere wohnen direkt hinter dem Kinderkrankenhaus und sind Tilapia. In den Zuchtbecken schwimmen sie munter in allen Größen herum und warten darauf in die nahe Tiefkühltruhe umzusiedeln. Auch wir haben schon was aus dieser Truhe zu Mittag bekommen. Das Wasser, das jeden Tag zum Teil ausgewechselt wird, bewässert nach den Tanks den Bananenwald, der die Becken im Schatten hält und ein paar Hühnern als zu Hause dient.


Das Schild vor der Stationstür
Mit den Kids habe ich wieder gespielt, gespaßt und ein Lächeln auf das eine oder andere Gesicht gezaubert.

Jetzt ist es später Nachmittag und ich sitzte auf meiner kleinen Terrasse und schreibe die letzten Zeilen für diesen Eintrag.




Morgen geht es in der Früh weiter in die Dominikanische Republik, wo ich mich, nach einer 8 stündigen Busfahrt, mit der Conni wieder treffen werde.

Liebe Grüße aus dem staubigen Port au Prince,
Anna